Gewinnspiel zum Geburtstag von NvM

Das Gewinnspiel findet Ihr ganz unten … 😉

Nikolai v. Michalewsky

Zum 93. Mal hätte er sich heute gejährt: der Geburtstag des Schöpfers von Mark Brandis Nikolai von Michalewsky. Getroffen habe ich ihn ein Mal, im Frühsommer 2000. Damals hatte ich mir die Schreibweisen markbrandis.de und mark-brandis.de als Domainnamen gesichert, weil sie noch frei waren, und ich nicht wollte, dass sie (wie damals viele Markennamen) devisenhungrigen Erpressern Domainnamenhändlern in die Hände fielen. Kurz darauf dachte ich „warum nicht eine offizielle Website daraus machen“, zumal ich gehört hatte, dass der Autor 1999 einen Ehrenpreis auf einem SF-Con erhalten hatte.

Auf meine entsprechende Mail hatte er skeptisch reagiert, er konnte sich ein „pro bono“-Interesse nicht vorstellen. Zu oft musste es ihm passiert sein, dass jemand sich auf ein Trittbrett stellen wollte. Dennoch hatte er in ein Treffen eingewilligt, und so fuhr ich eines schönen Tages ins Teufelsmoor zu dem alten Bauernhof hinaus, auf dem er und seine Frau Reinhild wohnten.

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20. Todestag Nikolai von Michalewsky

Heute vor 20 Jahren ist Nikolai von Michalewsky gestorben.

Ich weiß noch, dass ich wenige Wochen vor Weihnachten noch mit ihm telefoniert hatte. Es ging damals noch einerseits um diese Website, die er und ich in ihrer Ursprungsform noch gemeinsam gestaltet hatten, und um das neue Brandis-Buch „Ambivalente Zone“, das zu dem Zeitpunkt seit einigen Wochen als BOD auf dem Markt war. Jochim und ich hatten für die Ankündigung des Buchs als Geschenk einen Audiotrailer produziert, über den er sich gefreut hatte:

Nur in einem Nebensatz erwähnte er, dass es ihm derzeit nicht so gut ginge; von seiner Frau Reinhild erfuhr ich später, dass er schon seit längerem unter schwereren Herzproblemen gelitten hatte. Die letzten Weihnachten in seinem Haus im Teufelsmoor bei Bremen hatte er aber, seiner Frau zufolge, zufrieden verbracht.

Er hat das Revival der Serie durch die Hörspiele, die darauffolgende Komplett-Neuauflage der Bücher und die Renaissance als Comic nicht mehr erlebt. Es hatte in den Jahren danach sogar den ersten ernstgemeinten Versuch gegeben, die Brandis-Saga ins Kino zu bringen, einschließlich eines auf englisch verfassten Skripts und Verhandlungen in China.

Dass die berühmteste seiner Schöpfungen somit auch einer nächsten Generation Freude bereiten konnte, ist ohne die „Michalewsky-Vision“ nicht denkbar. Wenn die geneigten Leser das ähnlich sehen … hebt heute Abend einmal zu seinem Gedenken das Weinglas und sagt ein leises „Danke“.

Auf Spotify und all den anderen Portalen gibt es den Soundtrack dazu, mit gesprochenem Wort geschrieben vom Meister selbst:

Interview mit Reinhild von Michalewsky

Wie kam es eigentlich zum Ende der MARK BRANDIS-Reihe? 1987 erschien »Geheimsache Wetterhahn«, und dann kam kein Anschlussauftrag für das nächste MARK BRANDIS-Buch.
Also, MARK BRANDIS war finanziell ein Supererfolg, auch für den Verlag. Dann ebbte die Science-Fiction-Welle ein bisschen ab. Herder ist auch nicht unbedingt der Verlag gewesen, der groß Public Relation machte. Ich sag es jetzt mal so, wie mein Mann es beurteilte: Herder hat sehr spät erkannt, dass die Verkaufszahlen einbrachen, und sie haben nicht gegengesteuert, sondern irgendwann gesagt: »Na ja, läuft nicht mehr.« Das heißt, MARK BRANDIS starb so langsam vor sich hin. Und dann gab es halt irgendwann keinen neuen Auftrag.

phantastisch #65

phantastisch #65

In der ab dem 20.1. auch im Bahnhofsbuchhandel erhältlichen Ausgabe der phantastisch! ist neben der Fortsetzung des Artikels aus der #64 das längere Interview zu finden, das Olaf Brill bei seinem Besuch im Teufelsmoor mit Nikolais Ehefrau Reinhild geführt hatte, und in dem es auch um seine Arbeit als Schöpfer der MARK BRANDIS – Romane geht.

Das Heft ist bis Ende März 2017 im Handel.

„Erinnerungen an Mark Brandis“

Sechs Jahre nach der Erstveröffentlichung im SF-Jahrbuch 2006 und in phantastisch! #28 freuen wir uns, den Fans von Mark Brandis mit freundlicher Genehmigung des Autors nun den vollständigen und ungekürzten Artikel „Erinnerungen an Mark Brandis„, geschrieben von Dr. Alexander Seibold, zur Verfügung zu stellen.

Der Autor hatte 1991 Nikolai v. Michalewsky zuhause besucht und dabei viel über den Weltraumhelden, seinen Schöpfer und das Schreiben an sich erfahren. Eingestreut in die Veröffentlichung sind kurze Statements treuer Leser der Bücher.

Viel Spaß!

Liegt Fukushima am Kilimandscharo?

In den 80er Jahren wirkte die Zukunft, die Nikolai von Michalewsky in seinen MARK BRANDIS – Romanen entwarf, in Teilen irgendwie anachronistisch. Das bezog sich durchaus nicht nur auf Erfindungen wie den „Letterator“, der wie eine altmodische Variante des Faxgerätes aussah, oder die relative Unbedeutsamkeit der Informationstechnologie für die Raumfahrt, in der Rechner für eine Kursänderung „neu programmiert“ werden mußten. Auch die politische Gesamtlage mit zwei großen Superblöcken, klar modelliert anhand der USA-UdSSR-Antagonie, wirkte weniger nach „morgen“ als nach „gestern“ schauend. Dass China statt Russland den Ton angab, war — je nach Blickwinkel des Lesers — entweder der „Farbklecks anders“ oder einfach die Umsetzung der Angst vor der gelben Gefahr, die in populärpolitischen Zeitschriften der 1960er Jahre bis zum SPIEGEL weit verbreitet war. Dass von Michalewsky sich nicht als SF-Autor bezeichnete und auch nicht besonders ehrgeizig schien, seine Zukunftsvisionen auf „Treffer“ hinzuentwickeln, schien diese Blickwinkel zu rechtfertigen.

Schaut man sich die wachsende Bedeutung Chinas als Gegenpol zum „Westen“ heute an, denkt man vielleicht anders darüber.

Operation Sonnenfracht (Link zum Buchinhalt)

Operation Sonnenfracht (Link zum Buchinhalt)

Als von Michalewsky 1975 „Operation Sonnenfracht“ verfasste, gab es noch keine Großunfälle in Harrisburg oder Tschernobyl, geschweige denn einen nennenswerte atombewegte Friedensinitiative in Europa. Die Frage des Atommülls und dessen Lagerungsorte, die Jahrzehnte später Schlagworte in aller Munde sind (Asse, Gorleben) beschäftigte die Öffentlichkeit damals kaum. Umso erstaunlicher war es, dass dieser Roman nicht nur mit diesem Thema an seine meist jugendliche Leserschaft trat, das erschreckend dystopisch wirkte, sondern auch, dass zum ersten Mal der Held der Geschichte, der von Bürgerkrieg über Terroristenanschläge und allmächtige Polizeicomputer eine Menge Gefahren bereits überstanden hatte, hier zu scheitern drohte …

Die Ursache-Wirkung-Kombination „Erdbeben –> Sicherheit von Kernenergietechnik“ verbindet den fiktionalen Abenteuerroman „Operation Sonnenfracht“ (der die hastige Räumung eines Atommüllagers im Kilimandscharo zum Inhalt hat) mit der Realität der Folgen des Seebebens auf die KKW-Anlagen von Fukushima. Beiden Situationen gemeinsam sind Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit versuchen, ein weitreichendes Unglück zu verhindern, und denen aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest teilweise einen hoher Preis abverlangt werden wird.
Kilimandscharo im Dez 2009 (C) Muhammad Mahdi Karim

Kilimandscharo im Dez 2009 (C) Muhammad Mahdi Karim, verwendet gem. GNU FDL 1.2 (hinter dem Bild verlinkt)


Gedanken bei der Umsetzung

Mir als Autor der Hörspieladaption ist es zugleich recht wie auch unangenehm, dass der geplante Veröffentlichungszeitpunkt des Hörspiels im Juli 2011 so nah an den Ereignissen liegt, dass man uns möglicherweise unlautere Absichten unterstellen wird — ungeachtet dessen, dass die Sprachaufnahmen bereits seit Januar abgeschlossen sind. Denn: eines der Anliegen des Autors der Bücher war es immer, den Menschen in aktivem und engagiertem Konflikt mit moralischen Fragen zu zeigen. Hier, in „Operation Sonnenfracht“, war es der Blick der Zukunft, der sich zurück auf die Vergangenheit richtet: „seht, was unsere Kindergenerationen vor sich haben werden“.

Nikolai von Michalewsky war kein Träumer, kein weltfremder Spinner, der sich Welten herbeischrieb, die mit der conditio humana nichts zu tun hatten. Für ihn war das Schlamassel, in das Mark Brandis und seine Crew geraten, nicht abstrakt, sondern schon Realität. Kein „was wäre, falls“, sondern ein „was ist, sowie“. Der Mensch, der sich der Konsequenzen seines Handelns bewußt wird und sie bedenkt, handelt anders.

In der Einsatzbesprechung mit seiner Crew habe ich in meiner Bearbeitung Mark Brandis ein paar zusätzliche Sätze sagen lassen, die so nicht im Buch stehen:

Das Essen meiner Kinder und Enkel schmeckt mir solange gut, wie ich nicht nachdenken muss. Und den Müll stelle ich gerne dorthin, wo ich ihn nicht sehe. Was in zwei Generationen damit passiert, ist nicht mehr meine Verantwortung. Und solange wir nicht daraus lernen, werden wir bluten müssen. Immer und immer wieder. Bis es vielleicht endlich einmal in unseren verdammten Genen sitzt.

Früher als erwartet stehen wir als Menschheit, nicht als isolierte Nationen, wieder einmal vor der Frage, ob uns ein Lernschritt gelingen wird — oder ob wir durch weiteres Leid gehen müssen, weil wir uns von individuellem Wohlstand und Eigennutzdenken nicht trennen wollen.

Das Buch hat seine Wirkung ja schon erzielt. Ich bin gespannt, ob und wie das Hörspiel vor diesem Hintergrund als diskussionswürdig betrachtet werden wird.

Die »Michalewsky-Vision«

Auszug eines Essays von Dr. Alexander Seibold, erschienen in „Die Vollstrecker“ (Wurdack-Neuauflage), „Das SF-Jahr 2006“ (Heyne Verlag) und der Zeitschrift „phantastisch!“ #28:

[…] Für alle, die ihn nicht kennen: Ich halte ihn für einen Nachfahren von Oscar Wilde. Manche meinen zwar, er sei ein Autor von Abenteuerromanen, Reise- und Räuberromanen gewesen. Aber das ist Quatsch. Er war kein Friedrich Gerstäcker, kein Jack London und auch kein Karl May, sondern ein Moralist – literarisch gesehen.
Auch wenn ich den Beweis hier schuldig bleiben muss, für mich hat sich Nikolai von Michalewsky mit seiner Mark Brandis-Reihe in eine Traditionslinie hineingeschrieben, die innerhalb der europäischen Moralistik zu bedeutenden Literaten geführt hat: In Frankreich zu Michel Eyquem de Montaigne, in England zu Oscar Wilde und in Deutschland zu Georg Christoph Lichtenberg.

Nikolai von Michalewskys literarischer Ort ist nicht im Feld der unterhaltenden Erzählung zu suchen, sondern genau dort, in der europäischen Moralistik. Und hier ist er das nicht unbedingt häufige Exemplar eines Romanschriftstellers. Als solcher ist er übrigens – das sollte unbedingt erwähnt werden – einer, der es meisterlich versteht, Spannung zu erzeugen und immer weiter zu steigern, schier bis an die Grenze des gerade noch Erträglichen.
Seine Themen sind stets von einer pazifistischen Grundhaltung bestimmt, handeln aber vielleicht gerade deshalb immer wieder von politischen Konflikten und von bewaffneten Auseinandersetzungen. Seine Erlebnisse im Krieg haben ihn ebenso geprägt, wie die Erfahrungen mit Militärpersonal und deren Umgang mit Macht, Moral und Gewalt. In einigen Mark Brandis-Bänden findet man Sätze etwa der folgenden Art:

Militärs sind immer nur das Produkt jener Welt, die sie besoldet. Von Anfang an dazu erzogen, nur in den Kategorien Macht und militärische Stärke zu denken, sind sie zwangsläufig amoralisch. Ihre einzige Moral ist die militärische Überlegenheit ihres Vaterlandes. (»Raumsonde Epsilon«, S. 152.)

In den Mark Brandis-Romanen, die mitten im Kalten Krieg entstanden, bekundete Nikolai von Michalewsky ganz offen, dass ihn ein Gleichgewicht der Kräfte ebenso wenig überzeugen konnte, wie eine Politik der Abschreckung oder gar der Präventivgewalt. Ihm ging es vielmehr um ein »Gleichgewicht der Brüderlichkeit«.
Im Rahmen seiner schriftstellerischen Arbeit propagierte Nikolai von Michalewsky immer und immer wieder Brüderlichkeit, Solidarität und Humanität. Ist das ein Zeichen einer speziellen Ethik? Existiert möglicherweise eine Art Rückbindung an Glaube und Religion?

Bei metaphysischen Themen, bei Fragen nach dem Aufscheinen von Transzendenz in der Menschenwelt, tut sich das bei weitem größere Feld der Literatur schwer. Bei Nikolai von Michalewsky dagegen klingt immer wieder etwas an, das größer ist als die Erfahrungswelt der dreidimensionalen Wesen, die den Planeten Nummer Drei der Sonne bevölkern.

Dieses Größere könnte vorsichtig als »festes Wertekonzept« bezeichnet werden. Dieses Wertekonzept ist denen, die sich trotz aller Probleme, Schwierigkeiten und Zweifel danach richten, eine Hilfe, eine Stütze, eine unbedingte Richtschnur. Interessant hierbei: Was Nikolai von Michalewsky wirklich interessierte, war nie der technische Fortschritt, sondern ein ganz anderer: der »Fortschritt der Moral, der Brüderlichkeit, der Liebe«, wie er in dem exemplarischen Roman »Raumsonde Epsilon« (S. 192) notierte.

Dieser Fortschritt ist an Mark Brandis selbst, dem Helden der Serie, übrigens gut zu beobachten. Seine Devise: Woran du glaubst, dafür sollst du leben und sterben. Brandis verlässt eines Tages den halbautonomen raumfahrttechnischen Mammutkonzern VEGA »Erde-Venus, Gesellschaft für Astronautik«, wo er einst als Pilot, später als Commander, unter den Sternen geflogen war, um sich in den Dienst der UGzRR, der Johanniterflotte unter den Sternen, zu stellen. UGzRR bedeutet: Unabhängige Gesellschaft zur Rettung Raumschiffbrüchiger; eine blockfreie, humanitäre Hilfsorganisation mit Piloten und Ärzten verschiedener Hautfarbe, verschiedener kultureller Herkunft und verschiedener Religion. Der Anklang an die DGzRS in Kiel, die sich der Seenotrettung verschrieben hat, ist unüberhörbar.

httpv://www.youtube.com/watch?v=6mNMNhEGVNE

Nikolai von Michalewsky, der Dokumentarsendungen über das Leben auf dem Meer, Bohrinseln und eben die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger produziert hat, fühlte sich den Männern und Frauen auf den Seenotkreuzern eng verbunden. Aus Wertschätzung für deren Dienst verdingte er sich sogar für freiwillige Einsätze auf den Rettungsbooten. Getreu seinem Grundsatz »Schreiben aus dem Erleben« mag nicht verwundern, dass der Autor seinen Protagonisten vom VEGA-Konzern zur UGzRR wechseln ließ.

[…] Die Protagonisten der WELTRAUMPARTISANEN gerieten zu lebendigen Verkörperungen der facettenreichen Strömungen, die unsere Zeit bestimmen, die die Menschen prägen und ihre Nöte sichtbar werden lassen. So mancher Kämpfer um Mark Brandis ist gestorben für das, woran er geglaubt hat.

Und der Autor der Reihe? Nikolai von Michalewsky dichtete einmal:

»es kommt der tag.
und keiner kann mich halten.
es steht im buch.
das fest sei aus.
und so, im banne von gewalten,
verlass ich dich, verlasse ich mein haus –
arm wie ich kam.
doch eines darf nicht fehlen
auf meinem weg zu Gottes thron:
gib mir die liebe mit ins reich der seelen
gib mir die liebe mit als meinen lohn!«