Lernkurve nach Fukushima praktisch gleich Null

Schade, dass „Operation Sonnenfracht“ noch nicht Pflichtlektüre in Schulen ist. Noch bitterer ist, dass nach wie vor kein Land — auch nicht Japan — die Konsequenzen zum Wohl der eigenen Bürger zieht.

Im März 2011 bebt die Erde und ein Tsunami überflutet das Atomkraftwerk in Fukushima. Seitdem ist die Umwelt verseucht. Jetzt wird bei Fischen eine besonders hohe Cäsiumbelastung festgestellt. Im Meer vor Fukushima gefangene Fische weisen Rekordwerte radioaktiven Cäsiums auf. Bei zwei Grünlingen wurden 25.800 Becquerel Cäsium pro Kilogramm gemessen. Das gab der AKW-Betreiber TepCo laut japanischen Zeitungen bekannt.

Der Messwert entspricht dem 258fachen dessen, was der Staat als unbedenklich zum Verzehr einstuft. Die Fische wurden Anfang August in einer Entfernung bis 20 Kilometer von der Atomruine in 15 Metern Tiefe gefangen. Das Fischen vor der Küste der Provinz Fukushima unterliegt freiwilligen Beschränkungen, damit kein kontaminierter Fisch auf den Markt gelangt. (Quelle)

WER ISST DIESE FISCHE?? Ergebnisuntersuchungen tendieren wir zu schnell als abgeschlossen anzusehen, ganz im Gegensatz zu den gemachten Erfahrungen:

Im Ergebnis der Forschungen wurde festgestellt, dass die Havarie vom März 2011 im AKW Fukushima 1 die Luft über der untersuchten Meeresregion nicht beeinflusst hat.

„Die Untersuchung des Meereswassers im nordwestlichen Teil des Pazifik hat jedoch ergeben, dass eine umfassende Region, die 500 bis 800 Kilometer östlich vom AKW Fukuschima 1 entfernt liegt, bis jetzt mit radioaktiven Emissionen verseucht ist„, sagte der Gesprächspartner der Agentur. Er präzisierte, dass der Gehalt an radioaktivem Cäsium 137 das Zehnfache des höchstzulässigen Wertes beträgt. Wie der stellvertretende Leiter des russischen Institutes für Probleme der sicheren Entwicklung der Atomenergetik, Rafael Arutjunjan, RIA Novosti sagte, werden die von den Expeditionsteilnehmern entdeckten radioaktiven Verschmutzungen im nordwestlichen Pazifik weiter untersucht.

Die erste solche Expedition hatte von April bis Mai 2011 stattgefunden. Die damals entnommenen Proben von Meereswasser, Luft, Grundablagerungen und Meeresfauna hatten keine signifikanten Strahlenerhöhungen aufgewiesen (Russland Heute).

Zwei Jahre nach Fukushima macht das Land die Augen fest zu und erklärt die Katastrophe zum „Schicksal“:

Zum Jahrestag von Fukushima vor zwölf Monaten gingen noch Zehn-, addiert vielleicht sogar Hunderttausende dagegen auf die Straße. Diesmal waren es eher Tausende, wenn nicht nur Hunderte – und das auch vorzugsweise am Wochenende, wenn nicht gearbeitet werden muss. Nüchtern betrachtet blieben fast 127 Millionen Japaner gleichgültig zu Hause. Wogegen sollten sie auch protestieren? Gegen die Regierung, die unverhüllt mit der Atomlobby kungelt? Eine Zweidrittelmehrheit hat doch erst im Dezember mit den konservativen Liberaldemokraten und Premierminister Shinzo Abe die Atomstromverfechter wieder an die Macht gewählt. Im vollen Bewusstsein übrigens, dass sie damit für eine Renaissance der rund 50 derzeit stillgelegten Reaktoren und den Ausbau weiterer AKW votiert hat.
Alternativen werden kaum in Erwägung gezogen. Wohlgemerkt, Japan ist ein Land der heißen Quellen, wunderbar geeignet für Thermoenergie. Steile Berge würden Speicherkraftwerke ermöglichen, und an 26.500 Kilometer Meeresküste branden die Wellen. Beinahe jeder Vorschlag in diese alternative Richtung wird jedoch lächelnd mit angeblicher Sorge um die Attraktivität des Landes abgebürstet (Quelle)

Dass in der Welt von Mark Brandis Atommüll in einem Vulkankrater eingelagert wurde, wird dem Autor gerne vorgeworfen. Das sei „unrealistisch“ und „zu gefährlich“. Sowas würde keiner machen. Doch wie ist dann diese Meldung vom 10. Dezember 2012 zu lesen?

Das russische Zivilschutzministerium führt ein Register von potentiell gefährlichen Atommüllobjekten, die in Binnengewässer und Grenzmeeren versenkt sind. Derzeit stehen 24 000 solche Objekte auf der Liste.

Und dass wir nicht mal nach Russland gehen müssen, um Unverantwortlichkeit in diesen Dingen zu finden, beschreibt die WELT recht eindrücklich am 23. April 2013:

Die Sünden liegen Jahrzehnte zurück, doch sie strahlen weit in die Zukunft. Und das im wörtlichen Sinn: Acht europäische Staaten hatten zwischen 1949 und 1982 atomaren Abfall einfach dem Meer überlassen, insgesamt versenkten sie 222.732 mit Beton oder Asphalt verstärkte Metallfässer an 14 Stellen westlich der europäischen Küste sowie in einem „Hurd Deep“ genannten Gebiet im Ärmelkanal.

Im Metropolis von Mark Brandis scheint die Lektion irgendwann angekommen zu sein. Wie flach können wir unserer Lernkurve noch erlauben, zu bleiben?

Zu dicht an die Realität …

… für meinen Geschmack rückt mir meine eigene Buchadaption. Als ich vor gut zwei Jahren das Buch Operation Sonnenfracht in Hörspielform brachte, habe ich einige Details zur Vorgeschichte ergänzt. Unter anderem die Hintergründe, wie es dazu „kam“, dass im Kilimandscharo im 21. Jahrhundert so viel Atommüll eingelagert werden konnte. Wie das so bei SF ist, versucht man, ein logisch erscheinendes Szenario zu schaffen, damit die Geschichte bei aller Phantastik plausibel bleibt.

NICHT beabsichtigt habe ich, dass es jetzt so erscheint, als hätten die Verantwortlichen in Deutschland sich diese Idee einfach abgeguckt:

Das Bundesumweltministerium will nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ im deutschen Atomgesetz erstmals Grundlagen für die Endlagerung deutschen Atommülls im Ausland schaffen. Das gehe aus einem Entwurf für die Gesetzesnovelle hervor. Demnach soll ein neuer Paragraf die „Verbringung radioaktiver Abfälle oder abgebrannter Brennelemente zum Zweck der Endlagerung“ regeln.

Die Ausfuhr von Atommüll würde damit ein Abkommen zwischen der Bundesrepublik und einem Drittstaat erfordern. Für dortige Endlager sollten strenge Auflagen gelten. Umweltschützer sprachen am Donnerstag von einem „Dammbruch“. Erstmals würden Ausfuhren von Atommüll so legalisiert. Die Novelle soll eine europäische Richtlinie zur Atommülllagerung von 2011 umsetzen. Die Mitgliedstaaten vereinbarten darin Details einer Ausfuhr von Atommüll, ungeachtet heftiger Kritik aus Parlament und Kommission. Allerdings sah die EU-Richtlinie zumindest noch einen grundsätzlichen Vorrang für die Endlagerung im Herkunftsland des Atommülls vor: „Radioaktive Abfälle werden in dem Mitgliedsstaat gelagert, in dem sie entstanden sind“, heißt es darin. Erst dann folgen die Regelungen für einen potenziellen Export. Die Atomgesetz-Novelle enthält diese Formulierung nicht.

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