Fragen an die Hörspielmacher

(Die Fragen stellten die Betreiber von hoerspiel-freunde.de anläßlich der Vorbereitung eines „Mark Brandis – Specials“ im Frühjahr 2008 — inzwischen offline)


Wer steht hinter Mark Brandis? Wer seid ihr? Macht ihr das Ganze hauptberuflich? Was treibt ihr im normalen Leben sonst so?

JCR: Man könnte sagen, dass wir die perfekte Kombination sind. Balthasar und ich kennen uns von Kindesbeinen an und wissen jeder um die Macken des Anderen – ebenso aber auch um die Vorzüge! Er kommt vom Film und ist Produzent, Dramaturg und Drehbuchautor, ich komme vom Radio, bin Tonmeister, Musiker und Sprecher. Unsere gemeinsame Leidenschaft ist das Hörspiel. Aber weil das nicht gerade ein Goldesel ist, arbeiten wir hauptberuflich in unseren jeweiligen Jobs. Ich bin durch und durch Tonmann. Am Sender mache ich das Sounddesign und in meiner Freizeit arbeite ich an Musiken und entwickele eine nahezu krankhafte Begeisterung für elektronische Instrumente.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, selbst ein Hörspiel zu produzieren?

BvW: Die Grundidee ist lange her – das erste war 1985, noch mit Tonbandmaschine und Kassettenrecordern. Da waren wir 15 und 17. Wir wollten damals einfach eine tolle Abenteuergeschichte erzählen, idealerweise mit viel Schießereien und Raumschiffstarts. Einige Jahre lang haben wir jedes Jahr eines gemacht, einfach aus Spaß, das wurde aber studiums- und berufsbedingt seltener und seltener. 2005 entstand der Gedanke, es wenigstens ein Mal „groß“ zu versuchen, mit professionellen Sprechern, richtigem Sounddesign und mit einer Geschichte, die wir beide mochten. Mark Brandis erfüllte alle Bedingungen dafür. Ich hatte Kontakt zu dem Haus v. Michalewsky und wir bemühten uns um die Rechte. Mit einem achtminütigen Konzeptdemo bekamen wir sie.
JCR: Ja, das war `ne tolle Sache! Wir hatten ein paar kompromisslose Lautsprecher zu Reinhild v. Michalewsky geschleppt, nippten Tee und um unsere Ohren ballerte die Demo-Szene. Brandis und Stroganow waren zu dem Zeitpunkt bereits besetzt und hatten mit Freude das Demo gesprochen. Naja, das muss wohl ganz gut gewirkt haben…

Wie seid ihr mit Mark Brandis zum Verlag gekommen?

BvW: Mit dem Konzeptdemo hatten wir bei mehreren Hörspielverlagen angeklopft, aber keinen Erfolg gehabt. Die Bücher waren in den 70er und 80er Jahren im Herder-Verlag erschienen, aber waren nicht mehr im Druck. Das ist natürlich ein Verkaufshindernis, weil man nicht abschätzen kann, wie hoch das Interesse bei den Lesern heute noch ist. Jochim und ich hatten irgendwann beschlossen, ins volle Risiko zu gehen und aus eigener Tasche alles vorzustrecken, immerhin etwa 9000 Euro. Ende 2006 war die Produktion dann schon fast fertig, und wir hatten immer noch keinen Verlag. Eines wussten wir: der Herder-Verlag hatte die Verkaufszahlen noch im Archiv und konnte am ehesten abschätzen, ob es sich lohnen würde. Also schickten wir eine Zwischenfassung und unser Demo mit dem Konzept dorthin mit der Frage „glaubt Ihr nicht, dass das funktionieren würde?“
Zum Glück hatte der Verlag Herder damals eine Kooperation mit steinbach abgeschlossen und reichte das Konzept an diesen strategischen Partner weiter. Dort hörte der Cheflektor Guido Heidrich unsere „beinahe fertig“-CD und muss wohl ein sehr positives Gutachten geschrieben haben. So kam es zu Verhandlungen und schließlich zu einem sog. Bandübernahmevertrag. Den Mut, den dieser Verlag mit dem Sprung, mit MARK BRANDIS nicht nur erstmals eine Serie zu machen, sondern das auch noch im SF-Genre zu tun, gezeigt hat, honorieren wir an dieser Stelle ausdrücklich!

Wenn ihr jemandem, der noch nie etwas von Mark Brandis gehört hat, die Serie mit drei Sätzen beschreiben müsstet. Wie sähe eure Antwort aus?

JCR: Ein spannendes und abwechslungsreiches Weltraumabenteuer, dass in nicht allzu ferner Zukunft spielt und in unserem Sonnensystem angesiedelt ist. Eine Gesellschaft, die ständig vor große Herausforderungen, politische Konflikte und globale Veränderungen gestellt wird. Eine Crew mit echten Charakteren, die glaubwürdig handeln und die gerade durch ihre Menschlichkeit zu Helden werden, geführt von einem Kommandanten, der mit allen Stärken und Schwächen seinem Rang mehr als gerecht wird.

BvW und JCR im Okt. 2010

Wie seid ihr überhaupt auf den Stoff „Mark Brandis“ gestoßen?

BvW: Ich hatte die Serie 1980 in der Schulbibliothek entdeckt und die Bände, die sie dort im Regal hatten, x-fach gelesen. Dann habe ich angefangen, mir die Bücher zu wünschen (DM12,80 pro Band war damals ein richtiger Happen) und ein paar auch bekommen. Da muss wohl was hängengeblieben sein.
JCR: Erst kürzlich konnte ich rekonstruieren, dass ich mein erstes MB-Buch während meiner ersten Hörspielproduktion mit Balthasar Mitte der 80er gelesen habe. Netter Zufall.

War für euch von Anfang an klar, dass das genau euer Ding ist? Oder gab es andere Stoffe zwischen denen ihr auswählen musstet?

BvW: Nicht für mich.
JCR: Da wir ja nicht mit der Brechstange irgendein Hörspiel in den Markt bekommen wollten, stellte sich diese Frage nicht und so hat es sich letztendlich einfach ergeben. Wie so oft wurde auch hier aus einer verrückten Idee Realität.

Die Produktion wirkt sehr hochwertig. Verfügt ihr über ein eigenes Studio, in dem ihr arbeiten könnt? Greift ihr bei den Effekten auf fertige Soundlibraries zurück, oder ist das alles handgemacht?

JCR: Die frühe Beschäftigung mit Hörspielen hatte schließlich meinen heutigen Beruf zur Folge. So groß war damals die Begeisterung für die Spielerei mit Ton. Seitdem entwickelte sich mein Studio von zunächst zwei Kassettenrecordern und einem Disco-Mixer bis hin zum momentanen Stand mit viel digitaler und analoger Technik für Produktion und Mastering und einem umfangreichen Fundus an elektronischen Musikinstrumenten. Die Sounds sind ein Mix aus eigenen Aufnahmen, synthetisch erstellten Klängen und gekauften Libraries. Nach dem Motto: Erlaubt ist was gefällt.

Wie sieht es bei der Musik aus? Woher bezieht ihr hier eure Inspiration?

JCR: Eigentlich mache ich ständig Musik. Vieles landet unfertig „auf Halde“, anderes entwickelt sich zu eigenständigen Stücken. Dabei entstehen zahlreiche Melodien und Themen, von denen manche ins Mark-Brandis-Universum passen. Ab und zu inspirieren mich andere Musiken, häufiger aber Sounds und Themen, die das Script vorgibt. Mit Balthasar gehe ich dann die Entwürfe durch, da er ein sehr gutes Gespür für den richtigen Einsatz der Musiken hat.

Wie seid ihr auf die Sprecher gestoßen. Hattet ihr hierzu bereits bestimmte Besetzungen im Kopf?

JCR: Eine konkrete Wunschvorstellung gab es eigentlich nicht. Michael Lott (Mark Brandis) traf genau genommen auf uns. Über einen Freund erfuhr er von dem Projekt und wollte sofort mitmachen. Wir hatten so etwas gar nicht erwartet. Er ist höchst professionell, bringt viele Ideen mit und ist obendrein ein klasse Typ. Es macht sehr viel Spaß mit ihm zu arbeiten. Diese Form der Begeisterung fanden wir eigentlich bei allen Sprechern, und inzwischen haben wir begriffen, dass Schauspieler anscheinend richtig gerne Hörspiel machen.

Seid ihr sonst auch begeisterte Hörspiel- oder Hörbuchhörer?

BvW: Sehr. Ich höre sowohl Hörspiele als auch Lesungen gerne, bin aber kein Sammler. Auch kann ich nicht behaupten, bei allen wesentlichen Produktionen up-to-date zu sein. In Sachen Kombination von spannender Erzählform und -produktion bewundere ich die englischen BBC-Hörspiele sehr, insbesondere Dirk Maggs‘ Arbeiten. Großartig.
JCR: Ich höre eigentlich alles, was mir vor die Füße fällt, wobei das Hörspiel gegenüber dem Hörbuch für mich den größeren Reiz besitzt. Bin eben ein Freund des Szenischen. Dabei mag ich Alt und Neu gleichermaßen. Eine tolle Sache sind Surround-Produktionen. Meiner Meinung nach ist das Hörspiel dafür weit besser geeignet als der Film, weil alle Lautsprecher gleichwertig sind und es kein Vorne und Hinten gibt.

Welches sind eurer Ansicht nach die wesentlichen Kriterien, die ein gutes Hörspiel auszeichnen?

BvW: Eine gut geschriebene Geschichte, die mit den Vorteilen des Mediums brilliert und die Nachteile nicht spüren lässt. Gut versteckte Exposition. Ausgebildete Sprecher in allen wichtigen Rollen. Ein zur Geschichte passendes Sounddesign, das organisch wirkt.
JCR: Für mich ist es ein Werk, das mich vergessen lässt, dass ich eine Produzentensau bin, die ständig alles analysiert was sie hört. Richtig eintauchen können ist mir somit am wichtigsten.

Dürfen wir von euch evtl. sogar noch andere Hörspielserien erwarten?

BvW: Das wird die Zeit zeigen. Vorläufig nicht.

Das letzte Interview

geführt von Carsten Kuhr (phantastik-news.de); zitiert mit freundlicher Genehmigung.

CK:
Ihre Biographie liest sich ein wenig wie die Geschichte eines Ihrer Romanhelden. Hafenarbeiter, Polizist, Taucher im Mittelmeer, Angestellter auf einer Kaffeeplantage im Kongo – ein Weltenbummler, der dann scheinbar als Autor von vornehmlich Hörspielen seßhaft wurde?

NvM:
Mir selbst erscheint meine Biographie als völlig normal. Stets war ich auf der Suche nach Freiheit. Als ich nach Afrika kam, war dort die Uhr des Weißen Jägers soeben abgelaufen, und die Bürokraten machten sich breit. So fand ich dann die Freiheit anderswo: in der Welt unter Wasser. Das Mittelmeer war voller Schätze. Man brauchte sie nur zu heben. Es gab rote Korallen, es gab Fische im Überfluß, es gab Berge von römischen Amphoren, und es gab den Schrott des 2. Weltkrieges. Zwar gab es auch Gesetze, aber die Staatsgewalt war fern und ohnmächtig. Niemand fragte nach irgendwelchen Scheinen. Wir Taucher lebten frei und stolz wie die Piraten. Und auch später, als sich die ersten Buch- und Hörspielerfolge einstellten, zog es mich aus bürgerlicher Enge immer wieder dorthin zurück. Und damit war die angesprochene Seßhaftigkeit aufgespalten in ein Leben in der großen Stille des Teufelsmoores und dem in der majestätischen Ruhe unter dem Sternenhimmel des Mittelmeeres. Oft genug habe ich bei Sturm geschrieben.

CK:
Warum das Pseudonym Mark Brandis, später auch Nick Norden etc., mußten Sie sich verstecken, oder war dies eine Vorgabe des Verlages ? Wie kam man auf den Namen Mark Brandis?

NvM:
Die Pseudonyme dienten der Abgrenzung von Sachgebieten. Und außerdem bildeten sie einen Nebelvorhang zwischen mir und der deutschen Literaturkritik, die es nicht goutieren wollte, daß ein Autor, der SF schrieb, daneben auch historische Romane verfaßte. Letzteres tat ich dann als Victor Karelin. Der Verlag hatte mit all dem nichts zu tun. Den Namen Mark Brandis wählte ich, weil sowohl dieser als auch ich, sein Erfinder, aus der Mark Brandenburg stammen.

CK:
Zunächst zu den „klassischen“ Mark Brandis Titeln. Ich erinnere mich z.B. daran, wie ich als kleiner Bub jedesmal mit klopfendem Herzen die Bücherei meines Heimatortes aufsuchte, und nach einem neuen MB Titel Ausschau hielt. Auch die Bibliothekarin wurde von uns jugendlichen Lesern bestürmt, nur ja jeden neuen Band schnellstmöglich zu bestellen. Die diversen Auflagen im Herder Verlag legen Zeugnis davon ab, daß die Serie ein verlegerischer „Renner“ war. Haben Sie von dem ganzen Trubel und der Begeisterung der Leser als Autor damals überhaupt etwas mitbekommen?

NvM:
Nein, leider erfuhr ich nichts davon. Der Verlag hielt sich von der Szene fern. Nur sporadisch erreichte mich ein Leserbrief.

CK:
Warum wurden Sie als Autor vom Verlag bzgl. der Publikumsresonanz so entschieden abgeschirmt? Wäre nicht eine Public Relations Arbeit mit Werbefeldzug u.U. mit Lesungen der naheliegendere Weg gewesen?

NvM:
Der Verlag ließ es sich vertraglich bescheinigen, daß das Pseudonym nicht gelüftet werden durfte. Dieser damals sehr große Verlag überließ seine einschlägige PR-Arbeit einer einzigen Dame, die auch nur halbtags beschäftigt wurde. Meine Tourneevorschläge fanden keine Gnade. Daran konnte auch mein Lektor, Anton Baumeister, dem ich mich bis auf den Tag freundschaftlich verbunden fühle, nichts ändern. Es lag am Management.

CK:
Hat sich der gute Absatz auch in den Tantiemen niedergeschlagen?

NvM:
Doch ja. Wenigstens das.

CK:
Wie fing damals eigentlich alles an? Gingen Sie mit einem ausgearbeiteten Konzept auf den Verlag zu, oder wurden Sie gezielt von Herder angesprochen, und wie kam man bei Herder auf den Hörspielautor NvM?

NvM:
Nachdem ich Herder mal dies, mal das angeboten hatte, tauchte eines Tages besagter Anton Baumeister bei mir auf mit dem Vorschlag, doch mal einen SF-Roman für ihn zu schreiben. Zunächst winkte ich ab. Auf dem Sektor war ich wirklich nicht bewandert. Zwar hatte ich einmal Jules Verne gelesen. Aber dann fiel mir meine geliebte Tante Marga ein, die um diese Zeit fast 100 war. Als sie das Licht der Welt erblickte, kämpfte drüben in den Staaten gerade Goldhaar Custer seinen letzten Kampf. Und als sie starb, trug der Mondstaub bereits die Abdrücke menschlicher Stiefel. Warum, so sagte ich mir, nicht mal versuchen, ein Jahrhundert vorauszusehen? Ich sagte zu – für ein Buch.
Einunddreißig sind es dann geworden. Aber, bitte, reiten Sie nicht immer auf dem Hörspielautor herum! Das ist doch nur die eine Facette.

CK:
Ihre Romane zeichneten sich, neben der Verlagerung des Ost-West Konflikts im Zeitalter des kalten Krieges in den Weltraum, und der dortigen Suche nach gewaltfreien Lösungswegen durch das „menschliche Element“ wie Sie selbst es einmal formulierten aus. Lag den erzählten Geschehnissen ein, wie immer auch vom Verlag vorgegebener oder genehmigungspflichtiger Entwurf zugrunde, oder waren Sie literarisch frei? Gab es Grob-Exposées oder entwickelten Sie die Handlung fortlaufend von Band zu Band weiter? Unterlagen Sie einer, wie auch immer gearteten Kontrolle durch den Verlag?

NvM:
Ohne Freiheit kein Brandis! Kurz, es gab weder Vorlagen noch Exposées. Mit jeder Fortsetzung überraschte ich mich selbst.

CK:
Auf wieviele Bände war die Reihe ursprünglich ausgelegt gewesen, oder gab es da ein open-end?

NvM:
Wie anfangs gesagt; auf einen Band. Alles weitere ergab sich. Der Verlag dachte dann immer nur von einem Band zum anderen. Nie gab es Gewißheit, daß es weitergeht.

CK:
Was führte letztlich, nach immerhin 31 Titeln zum wie wir nunmehr wissen vorläufigem Ende der Reihe? War das Ihre Entscheidung oder kam von Seiten des Verlages aus das Signal zum Halt?

NvM:
Sprachen wir nicht bereits davon? Von mangelnder PR und der Hilflosigkeit eines hervorragenden Lektors gegenüber dem Management…?

CK:
Unter dem Pseudonym Nick Norden startete, darf ich das so formulieren, Ihr Hausverlag Herder eine weitere Abenteuerreihe. Wie kamen Sie zu diesem Projekt?

NvM:
Es war die Ära einer bestimmten Fragestellung: Was wäre wenn…? Der Verlag kam damit auf mich zu. Aber nachher zuckte er zusammen, als die Kritik der Oberlehrer der Reihe ankreidete, daß sie sich eines Kriminellen zur Problemlösung bediente. Heute würde ich auch diese Reihe gern fortsetzen.

CK:
Wie ich erfahren habe, wurden kürzlich einige der ersten Bände der Reihe nach China lizenziert. Gab und gibt es noch andere fremdsprachige Ausgaben?

NvM:
Einiges erschien auf Portugiesisch, vieles in den Sprachen Skandinaviens und auf Holländisch.

CK:
Sie kommen beruflich gesehen in erster Linie vom Hörspiel und von der Kurzgeschichte her. Dies zeigt sich auch in Ihrem prägnanten, aufs Wesentliche konzentrierenden Stil. Gab es nie die Verlockung einmal einen „Ziegelstein“ zu verfassen, einmal aus dem starren Seitenkonzept des Verlages auszubrechen?

NvM:
Stimmt, ich habe einen Haufen Kurzgeschichten geschrieben – vornehmlich, um die Wechsel für ein Boot zu finanzieren, das mir am Herzen lag. Und ich habe über tausend szenische Manuskripte für den Rundfunk geliefert. Letztere kam den Dialogen in den Büchern zugute. Der prägnante Stil jedoch kommt wohl aus mir selbst: Ich bin kein Schwafler. Damit sind wir beim Seitenkonzept. Ich selbst steckte das Volumen ab. Die Seitenzahl entsprach der Erzählung und ihrem Gehalt. Zusätzliche Seiten wären nur Füllmaterial gewesen.

CK:
Auf der sehr liebevoll gestalteten Online-Seite um Mark Brandis erzählen Sie u.A., daß Sie von der Titelbildgestaltung der Mark Brandis Bücher von Robert André zunächst einmal gar nicht so begeistert waren. Für viele Fans der Serie dagegen war die Covergestaltung gerade weil sie anders war als das Übliche ein optischer Fixpunkt. Wie stehen Sie heute, mit zeitlichem Abstand zu den Zeichnungen Andrés? Bertelsmann legte kürzlich in seiner Omnibus Reihe die ersten Teile von Weltraum-Partisanen jeweils als Sammelbände mit zwei der ursprünglichen Abenteür in einem Taschenbuch mit neuen, dem Zeitgeschmack Rechnung tragenden Titelbildern wieder auf. Vielleicht hätte man bei Bertelsmann mit den „nostalgischen“ Bildern der Herder Ausgabe eher Käufer angesprochen, die die Schmöker ihrer Jugend gerne noch einmal zur Hand genommen hätten? Inzwischen wurde diese wünschenswerte Neuauflage wieder gestoppt. Wissen Sie warum es zu dieser Einstellung kam, bestehen Pläne irgendwelcher Art, die mittlerweile durch sehr gesuchten und rar gewordenen Titel den Lesern anderweitig wieder zugänglich zu machen – Stichwort BoD / E-book?

NvM:
Es ist wohl so, daß man als Autor immer ein anderes Cover erträumt als das, was man schließlich bekommt, doch schließlich haben Robert André und ich uns zu einer Einheit zusammengefunden. Aber das hat mit Bertelsmann nichts zu tun. Hier lag von Anfang an der Fehler in einer falschen Markteinschätzung. Inzwischen waren die Mark Brandis-Fans erwachsen geworden, aber in den Buchhandlungen standen und stehen die Omnibuseditionen bei den Kinderbüchern, wo sie keiner sucht. Das ist mit ein Grund, weshalb Ich mit dem Stop der Edition sehr einverstanden war. Momentan verhandele ich gerade über eine E-Book Ausgabe der alten Serie.

CK:
Nun, fast fünfzehn Jahre nach der Einstellung der ursprünglichen Reihe kehrt der Held unserer Jugend zurück. Bei Libri Books on demand erschien im Juli 2000 im Eigenverlag der erste neue Mark Brandis – Ambivalente Zone, der erste Band der Kosmonen Saga, die mit dem meines Wissens momentan in der Arbeit befindlichen Roman „Negativer Sektor“ weitergeführt wird. Was brachte Sie nach so langer Zeit dazu, sich wieder ihres Helden aus jüngeren Jahren zu erinnern und wieso im Eigenverlag ? Fand sich da kein Verleger, der das finanzielle Risiko einer Publikation einzugehen bereit war, oder wollte NvM vollkommen von allen fremden Zwängen frei sein?

NvM:
Als ich mich entschloß, meinen Fans zur Freude, Mark Brandis wiederaufleben zu lassen, war die SF-Literatur gerade in der Krise. Die einschlägigen Verlage argumentierten mit rückläufigen Absatzzahlen, und ich hatte keine Lust, noch weitere Klinken zu putzen. Und da ich schon immer frei sein wollte… – auch zum Aufbruch zu neuen Ufern …

CK:
Auf wieviele Bände ist der neue Zyklus ausgelegt ?

NvM:
Die zeitliche Grenze setzen nur meine Leser oder der Tod.

CK:
In Ambivalente Zone kehrt der Held meiner Jugend zurück – ein Held aber, der uns als ein gänzlich Anderer geschildert wird, als der Mark Brandis der 31 Jugendbücher. Wir begegnen einem Menschen, der künstlich geboren und von keinen Gefühlen beherrscht auf der Suche nach eben diesen Gefühlen, im Grunde genommen auf der Suche nach sich selbst ist. Da stellt sich mir die Frage, ob diese Suche vielleicht auch die Suche des Autors nach sich selbst dokumentiert? Will der Autor uns Leser vielleicht zusammen mit seinem Handlungsträger dazu animieren auf die Suche nach unseren Gefühlen, nach unserem Ich, letztlich nach unserem Platz in der Welt zu gehen? Oder will der Autor NvM heute einfach auch über andere, tiefgründigere Themen (welche?) schreiben, wie vor 15 Jahren?

NvM:
Auch der Autor ist ein anderer geworden. Das gilt auch für seine Fragestellungen. Voltaire hat einmal gesagt: Wenn es Gott nicht gäbe, müßte man Ihn erfinden… Die Fragen des Autors kreisen um die Gültigkeit der Werte. Der neue Mark Brandis steht vor der Aufgabe, in der synthetischen Welt, in die ihn das Schicksal gestellt hat, die verschütteten Werte wiederzuentdecken oder aber, siehe Voltaire, zu erfinden…

CK:
Der Charakter des MB, ja die ganze Person hat sich in Ambivalente Zone gegenüber der alten Reihe grundlegend gewandelt. Warum diese tiefgreifende Änderung, was bewegte den Autor NvM dazu, vom Gewohnten, Liebgewonnenen und Erfolgreichen Abschied zu nehmen? Sind das Ermüdungserscheinungen bzgl. des „Helden“ Mark Brandis?

NvM:
Geändert hat sich nicht der Charakter von Brandis, geändert hat sich seine Umwelt. Für mich war das ein grosser Schritt nach vorn. Ein Wiederauflebenlassen der „Weltraumpartisanen“ wäre keine Herausforderung gewesen, sondern ein Abrutschen in die Routine. Und vor diesem Los möchte ich mich bewahren.

CK:
Warum wurde der Protagonist MB angesichts solch gravierender Änderungen überhaupt beibehalten ? Sollten damit die alten Leserkreise und Fans als Publikum mittels des Signets „Mark Brandis“ als Zielgruppe der Vermarktung angesprochen werden, oder wäre die Anlage einer gänzlich neuen Welt mit neuen Personen zu umständlich gewesen ?

NvM:
Es wäre das Einfachste gewesen, mit neuen Personen zu starten, aber wie ich in einem anderen Interview einmal sagte: Mark Brandis ist mein Zwilling, mein zweites Ich. Sollte ich mir selbst untreu werden? Und damit sind wir schon bei der Fragestellung eines der nächsten Bücher der neuen Reihe, Fragestellung oder These?: »Wer sich selbst nicht treu bleibt, bleibt keinem treu.«

CK:
Nicht nur das Bild unseres Protagonisten hat sich geändert, auch der Inhalt des Romans hat sich gewandelt. Winfried Brand hat es prägnant in dem einen Satz zusammengefaßt: »Statt der Suche und Verteidigung demokratischer Werte geht MB nun daran, die menschlichen Werte auszuloten«. Findet diese sicherlich sehr vereinfachte Wertung Ihre Zustimmung?

NvM:
Winfried Brand hat den Nagel auf den Kopf getroffen.

CK:
Welchen Weg wird MB in den folgenden, hoffentlich erfolgreichen Bänden einschlagen, wie geht es weiter – ohne daß wir natürlich zuviel verraten wollen ?

NvM:
Die Richtung dürfte bereits skizziert sein. Fügen wir hinzu, daß auch das abenteuerliche Element dazu gehört. Lassen Sie mich Letzteres aus eigener Erfahrung definieren: »Nur der Narr sucht das Abenteuer. Aber wenn das Abenteuer dich findet, steckst du bis über die Ohren im Dreck – und tust dein Bestes, um da wieder rauszukommen«. Mark Brandis wird es uns vorleben.

CK:
Winfried Brand hat Ambivalente Zone in Flash inhaltlich sehr positiv besprochen, an der Aufmachung jedoch meines Erachtens nicht ganz zu Unrecht Kritik angemeldet. Warum die Schriftart Times New Roman, warum wird jeder Absatz durch eine Leerzeile getrennt? War es nicht machbar, Robert André wieder mit ins Boot zu nehmen, oder wollten Sie ganz gezielt auch äußerlich durch das avantgardistische Titelbild die Weiterentwicklung unserer liebgewonnenen Legende MB dokumentieren?

NvM:
Also. BoD ist für mich eine neue Erfahrung. Ich bin Schriftsteller, kein Drucker. Aber ich lerne dazu, also meckert nicht. Und Robert André habe ich deshalb nicht bemüht, weil auch die Aufmachung meinen neuen Weg dokumentieren soll. Und auf diesem Weg werde ich weitergehen. Vorwärts, nicht zurück. Und ich wäre glücklich, wenn meine Leser mir auf diesem Weg folgen würden.

CK:
Ein bekanntes Problem bei den Libri BoD ist immer, wie der Leser da draußen erfährt, daß es das Buch überhaupt gibt. Ich selbst habe von AMBIVALENTE ZONE auch erst über phantastik.de erfahren. Wie gehen Sie da vor ? Sind Sie mit den bisherigen Absatzzahlen zufrieden ?

NvM:
Ich verlasse mich auf die Buschtrommeln. Und über Absatzzahlen soll man erst reden, wenn wir die Sonne zumindest einmal umkreist haben.

CK:
Wir haben vorhin bereits einmal die sehr liebevoll gestaltete Internetseite um Mark Brandis angesprochen (www.markbrandis.de). Sind Sie in die Gestaltung etc. involviert?

NvM:
Hierauf zu antworten, ist mir eine Freude. Der Initiator und Webmaster der Seite ist mit unerhörtem Engagement an die selbstgestellte Aufgabe herangegangen. Ich habe nur gelegentlich zugeliefert.

CK:
Wie geht es weiter mit NvM ? Was macht NvM momentan, wenn er gerade nicht an MB arbeitet ?

NvM:
NvM wird wohl weitermachen als MB, was ihn nicht hindern wird, demnächst einen Band Gedichte herauszugeben. Auch eine Facette. Auch freue ich mich auf eine ausführliche Webseiten-Story, an der mein getreuer Leser und Fan Volker Niemeyer, Herausgeber von www.bazonga-press.de eifrig arbeitet.

CK:
Haben Sie vielen Dank für das Gespräch via eMail und alles Gute für Sie und Ihre Frau!