„Mark Brandis“ auf die Leinwand?

Wer ist Mark Brandis? Die Kamera, die ihn auf Film bannen könnte, ist noch nicht entwickelt.

Aus dem Klappentext des Sammelbands „Raumschiff Delta VII“ (Freiburg, 1973)

Im Jahr 2015 liefen die Hörspielarbeiten zur Serie auf Hochtouren: die letzte Folge der Hauptserie war bereits geschrieben und aufgenommen, und sechs Folgen des Spin-Offs „Mark Brandis, Raumkadett“ waren veröffentlicht. Die Besprechungen der Episoden seit 2007 waren sehr positiv gewesen, und obwohl das Label uns keine genauen Zahlen spiegelte, war die zweite Staffel des Raumkadetten bereits beschlossen. 2010 hatte der Wurdack-Verlag begonnen, alle 31 Bände der Buchreihe neu zu veröffentlichen. Es war gelungen, den „Weltraumpartisanen“ zurückzuholen.

Mit Freunden hatte ich öfter darüber spekuliert, wie wohl eine Verfilmung aussehen könnte — wissend, dass deutschsprachige SF mit Raumschiffen sich zwischen dem „Schweigenden Stern“ von 1960, der „Raumpatrouille“ von 1966 und dem „Arche Noah-Prinzip“ von 1984 bewegte. Ja, seit den 80er Jahren war nichts Wesentliches mehr auf dem Sektor passiert. „Periode 1“ (als Star Trek-Parodie von Bully Herbig) zähle ich mal nicht als SF.

Weitere Projekte waren Reinfälle gewesen, weil sie wirklich ungeschickt versucht hatten, das Genre zu verulken („Die Sturzflieger“, „2002 – durchgeknallt im All“). Als Entwickler hatte ich 2001-2004 für die Firma Tandem gearbeitet, die deutsche Produzentin der 2000er TV-Verfilmung von „Dune – der Wüstenplanet“ war. In den Produktionsunterlagen konnte ich lesen, wie schwierig es gewesen sein musste, die Vorbehalte zu überwinden, die in Deutschland gegenüber dem Genre SF selbst nach Jahrzehnten erfolgreicher Kinofilme und Fernsehserien gegenüber stehen. „Das ist etwas für die Amis, die können das“ war immer wieder zu hören. Deutsche Hauptfiguren in einer Geschichte mit Helden kämen schon gar nicht in Frage, weil, Sie wissen schon, zweiter Weltkrieg und Hitler und so.

Vor diesem Hintergrund hatte ich mich länger schon darauf eingestellt, dass es Kritik an den Hörspielen geben würde. Ein deutscher Raumschiffkapitän aus Berlin, dem manche „preußische Eigenschaften“ nachsagen? Der dem Wahlspruch folgt „woran du glaubst, dafür sollst du leben und sterben“? Oje. Das war ja eine regelrechte Einladung ans Feuilleton, den Machern braune Gesinnung zu unterstellen.

Diese Kritik war aber völlig ausgeblieben. Wir hatten Brandis‘ deutsche Herkunft in den Hörspielen als völlig normal behandelt, ähnlich „viel wert“ wie die russische von Stroganow oder die britische von Harris. Und auch deswegen hatte ich 2010 zusammen mit Michael Lott einen zaghaften Versuch gestartet, das Interesse in der Branche an einer Verfilmung auszuloten.

Das erste Pitchpapier von 2010

Ein paar Jahre später hatte sich immer noch nichts ergeben, und so beließ ich es dabei. Schön, wenn sich Hörer und Leser für Mark Brandis begeistern, das muss reichen.

Um so erstaunter war ich, als sich 2016 bei Frau von Michalewsky innerhalb eines Monats gleich zwei Produzenten meldeten, die Interesse an den Filmrechten bekundeten. Beide wollten einen Kinofilm machen. Beide wollten die Rechte auch nur optionieren, nicht kaufen, denn das meiste Geld sollte, wie in Deutschland üblich, von Filmförderungen kommen und durch TV-Vorverkäufe garantiert werden. Erst dann sollte Geld für die Rechte fließen.

Aus Gründen des Datenschutzes anonymisiere ich Firmen und Namen von Beteiligten.

In Absprache mit mir entschied sich Frau von Michalewsky für einen der Interessenten, und zwar für den, der zwar weniger Infrastruktur als der Mitbewerber mitbrachte, aber versprach, über gute Verbindungen und Indie-Produzenten-Engagement den Film internationaler aufzustellen. Er versprach, mich nach Möglichkeit als Drehbuchautor im Projekt unterzubringen, und, da es eilte, reichte er eine Zusammenfassung der ersten vier Buchbände als Antrag auf Drehbuch- und Projektförderung bei der FFA ein.

Das ging schief:

Schade, aber vielleicht hätten wir es vorhersehen können. Die Zusammenfassung hatte zuviel Exposition (schon die gekürzte Hörspielbearbeitung des Bürgerkrieg-Zyklus läuft ja fast fünf Stunden lang). Ich wollte näher an die Charaktere ran, aber auch das würde nicht reichen. Ich argumentierte, dass die Formulierung „als erfolgreichen Kinofilm“ auch beinhaltete, ein Konzept für einen visuell ansprechenden Film zu entwickeln und das zu belegen. Was man schreibt, sei ja nur die eine Seite der Medaille.

Mir schwebte eine ähnlich unwiderstehliche Teaser-Produktion vor wie die von W&B bzw. Syrreal für Captain Future. Aber das hätte bedeutet, VFX-Konzepter mit an Bord zu holen, für die kein Geld da war. Wir bedienten uns also bei einem Weltraumfilm für ein paar schöne Bilder und füllten ein Pitchvideo mit Musik und Texttafeln — und das reichte natürlich auch nicht für die nächste Förderungsrunde.

Was nun? Während wir über den Jahreswechsel 2016/2017 an dem Skript arbeiteten, hatte der Produzent die Idee, auf eine ungewöhnliche Art weitere Partner zu suchen: das Projektlaboratorium „Bridging The Dragon“ sollte in die dritte Runde gehen. Gesucht wurden Projekte, die sowohl chinesische wie europäische Elemente miteinander verbinden könnten. Antragsberechtigt waren Teams aus Produzenten und Autoren. Er reichte „Mark Brandis – Weltraumpartisanen“ ein, und das Projekt wurde akzeptiert.

Nur den Flug mussten wir bezahlen, die Teilnahme, Unterkunft und alle Veranstaltungen waren für die Teilnehmer kostenfrei. Also saßen wir Anfang Juni 2017 im Flugzeug nach Nanjing.

Dort konnten wir eine Woche lang in intensiven Gesprächen unsere Vision präsentieren, uns Fragen von Kollegen aussetzen, mit chinesischen Produzenten, Rat- und Geldgebern sprechen. Wir stellten fest, dass inhaltlich der „chinesische Anteil“ bisher bei weitem nicht ausgereicht hatte. Um eine Co-Finanzierung von 20 oder 30% zu erreichen, müsste der „koreanische Leutnant“ aus Buch und Hörspiel Chinese werden und zur zweiten Hauptfigur aufsteigen. Da im Februar 2018 in Berlin ein zweites Symposium bereits geplant war, entwickelte sich das zu unserer „Hausaufgabe“ bis dahin.

Über China ließe sich ein eigener Beitrag schreiben … Nikolai von Michalewsky hatte völlig Recht, als er es zum Mittelpunkt der zweiten Supermacht auf der Erde des 21. Jahrhunderts machte. Ich war 2010 bereits einmal in China gewesen, aber erstens war das auf der Insel Hainan im südchinesischen Meer, einer Urlaubsregion, und zweitens hatte sich die Welt sieben Jahre später noch ein paar Mal weiter gedreht. Alles atmete einerseits „fremde Welt“, modern und traditionell zugleich, aber gleichzeitig auch das Selbstbewusstsein einer Nation, die bereits weiß, dass sich langfristig alles in ihrem Sinn entwickeln wird.

Ein kleines Beispiel: Von Nanjing führt eine Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke nach Shanghai. Zu diesem Zweck wurde der Südbahnhof von Nanjing umgebaut und nach zweieinhalb Jahren Bauzeit 2011 wieder eröffnet (der Berliner Hauptbahnhof brauchte elf Jahre). Dieser Nebenbahnhof umfasst eine Fläche, die gut 50% größer ist als die des Berliner Hauptbahnhofs, obwohl er nur etwa ein Drittel von dessen Passagieraufkommens bewältigen muss. Während meiner Zeit in Nanjing, einer „2nd tier city“ mit nur 9,5 Mio. Einwohnern, stand ich immer wieder leicht fassungslos vor den weit größeren Dimensionen von allem. Ich dachte immer wieder „es ist längst Realität, dass China Weltmacht ist, der Baum ist schon umgefallen, wir in Europa haben den Schall aber noch nicht gehört“.

Mein Produzent und ich am Yuejiang-Turm

Zurück in Deutschland bereiteten wir dann den Stoff auf für das zweite Symposium in Berlin anlässlich der Berlinale. Wir spekulierten über eine internationale Besetzung („wäre Amy Adams nicht eine phantastische Ruth?“). Mit Special-Effects-Studios sprachen wir über kosteneffiziente Möglichkeiten, einen Teasertrailer zu drehen (sprich: keine Kosten bitte außer ein paar Arbeitsstunden), und suchten weitere Partner.

Unser Pitch zum nächsten BTD-Termin bei der Berlinale 2018 spiegelte die nun deutlich internationalere Ausrichtung des Stoffes:

Ja, und das war dann erst einmal Endstation! Da sich bis heute keine weiteren Partner gefunden haben, die gegen entsprechende Rechtebeteiligung die Finanzierung auf die notwendigen 100% gehoben hätten, blieb das fertige Skript und das fertige neue Treatment in der Schublade — so lange, bis der Produzent die Rechte zurückgeben musste, weil die Vertragszeit abgelaufen war.

Und deswegen gibt es noch keinen Film über die Abenteuer des „Weltraumpartisanen“.

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